Karäische Schule

Karaimų Str. 28, Trakai
GPS: 54.64773, 24.93304


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1576 wurde in Trakai neben der Kenesa die erste Schule der Karäer für Religionsunterricht errichtet. In der Schule wurde auch die Muttersprache der Karäer, die zur türkischen Sprachfamilie gehört, unterrichtet. Die karäische Sprache wurde im 9. und 10. Jahrhundert auf der Grundlage der Sprachen der im Chaganat von Chasaren lebenden Turkstämme (Chasaren, Kiptchak-Kumanen oder Polovten) gebildet. Nachdem sie den karäischen Glauben angenommen hatten und durch gemeinsame Religionen und Sprachen vereint wurden, bildeten diese Stämme das karäische Volk.

Nach einem Brand im Jahr 1879 wurde die Schule wiederaufgebaut. Sie wurde von 27 Jungen besucht und es fand Unterricht von 2 Lehrern statt. Einer von ihnen war Religionslehrer. Um die Schule am Leben zu erhalten, stellte die Staatskasse 400 Rubel zur Verfügung, und der gleiche Betrag wurde von der karäischen Gemeinde bereitgestellt. Auf diese Weise gelang es der Schule, vier Jahrhunderte lang  im Betrieb zu sein, aber im 20. Jahrhundert erlitt die Schule verschiedene schmerzhafte Einschläge und wurde 1940 endgültig geschlossen.

Von diesem Tag an nahm der Gebrauch der Sprache der Karäer allmählich ab und die Zahl der Menschen, die die Sprache sprachen, ebenfalls. Man versuchte, die tragische Situation während der Sowjetzeit durch illegalen Unterricht von Kindern zu retten . Dabei hatte sich Mykolas Firkovičius (1924-2000) besonders bemüht – ein hochrangiger Geistlicher und Vorsitzender der litauischen karäischen Religionsgemeinde. Seit Beginn von Sąjūdis und insbesondere nach der Wiederherstellung der Unabhängigkeit Litauens mit der Schaffung günstigerer Bedingungen für die Wiederbelebung der nationalen Kultur wurde dank ihm der karäische Sprachunterricht offen und legal. Anschließend verfasste er auch das erste Lehrbuch der karäischer Sprache.

Die karäische Sprache hatte damals aufgrund ihrer Phonetik, Grammatik und ihres Vokabulars große Aufmerksamkeit von verschiedenen wissenschaftlichen Gelehrten erhalten. Allerdings änderten weder die Aufmerksamkeit noch die wieder legal gewordenen Unterrichte die Situation – Litauen blieb der einzige Ort auf der Welt, an dem die Sprache der Karäer noch verwendet wurde. Leider wird heute diese Sprache hauptsächlich von der älteren Generation gesprochen. Im Jahr 2018 sprachen noch 30 Personen karäisch. Mittlerweile befindet sich die Sprache im UNESCO-Weltatlas für gefährdete Sprachen.

Am 9. Oktober 2008 weihte der karäische Geistliche Hazzan das wiederaufgebaute Gebäude ein, in dem sich die karäische Schule und das religiöse Zentrum befindet. Es ist zu einer interessanten architektonischen Lösung geworden: Das Haus ist so weiß wie ein Schwan und hat drei Dachebenen, die von der Straßenseite zum See Totoriškės leicht schräg sind. Jeder Teil des Hauses hat einen separaten Eingang. Das Gebäude ist von einem dünnen Bretterzaun umgeben. Dieses schöne Haus ist wie eine Visitenkarte für alle anderen karäischen Gebäude – mit drei Fenstern zur Straßenseite. Betritt man das Innere, so wird man beeindruckt sein. Der Innenraum der Halle ist eine Nachbildung aus dem 18. Jahrhundert: Wände aus Naturholzstämmen, Decken mit Balken, dorfübliche alte Lichter, die Öllampen ähnlich sind – alles riecht nach alten Zeiten.

Wichtig zu erwähnen ist, dass sich die Bemühungen der Karäer, ihre Sprache zu bewahren, dennoch auszahlten. Die Verwendung der Sprache nicht nur im Haushalt, sondern auch in der Liturgie zweifellos führten dazu, dass diese Sprache ihren Reichtum und ihre Besonderheit bewahrte und im Allgemeinen bis heute überlebte. Außerdem findet jedes Jahr in Trakai ein internationales Sprachcamp der karäischer Sprache statt, das Karäer und ihre Nachkommen aus der ganzen Welt zusammenbringt. Ziel ist es auf diese Weise die karäische Kultur und Sprache zu erhalten, den Wert der karäischen Kultur zu stärken, ein bewusstes Interesse an der karäischen Sprache zu fordern und so die Existenz der Sprache unter modernen Bedingungen zu erweitern.


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